Ein Mann, ein Hut

Robert Söllner

Ein Mann, ein Hut

Ein Mann, ein Hut

Robert Söllner
Fotos: Robert Söllner
12. Februar 2019
Martti Trillitzsch - Singer & Songwriter

Mart­ti Tril­litzsch ist ein Für­ther Mu­si­ker und Mu­sik­ver­le­ger, In­ha­ber von drei Plat­ten­la­bels so­wie Be­trei­ber des KIOSKI, des mut­maß­lich ein­zi­gen fin­ni­schen Plat­ten­la­dens süd­lich der Ost­see. Er wur­de 1965 in Pa­pua-Neu­gui­nea als Sohn ei­ner fin­ni­schen Mut­ter und ei­nes deut­schen Va­ters ge­bo­ren. In Fiona’s Dun­ge­on gab er dem Trif­o­lia-Team ein un­ge­fil­ter­tes In­ter­view aus der hoh­len Hand bzw. dem hoh­len Hut...

Auf den Hut gekommen

Lass uns zu­nächst über Hü­te spre­chen – was hat es mit dem Stet­son auf sich und was un­ter­schei­det ihn vom 4‑­Tuulen-Lak­ki [1]?

Bis zum 25. Ok­to­ber 2018 wä­re mir die Vor­stel­lung, mich dau­er­haft mit ei­nem Hut in der Öf­fent­lich­keit zu be­we­gen, als ziem­lich ab­we­gig vor­ge­kom­men. Hät­te ich dar­über nach­ge­dacht. Gab aber kei­nen Grund da­für.

Im Nach­hin­ein wür­de ich auch eher sa­gen, dass nicht ich den Hut ge­fun­den oder ge­kauft ha­be, son­dern ver­mut­lich der Hut mich. Durch ei­ne Ver­ket­tung un­er­klär­li­cher Zu­fäl­le bin ich auf der letz­ten Tour in Deg­gen­dorf in ein Ge­schäft mit dem klang­vol­len Na­men »Olga’s Hut Bou­tique« ge­langt. Es war noch nicht mal mei­ne ei­ge­ne Ent­schei­dung, und da lag dann eben die­ser – äus­ser­lich völ­lig aus­ge­bleich­te, in­ner­lich aber noch im ori­gi­na­len ro­sa – Stet­son. Bei den Schnäpp­chen. Run­ter­ge­setzt von 99 auf 10 EUR. Ich bin auch oh­ne den Hut wie­der raus. Als wir dann ir­gend­wo ’nen Kaf­fee ge­nom­men ha­ben, muss­te ich doch noch­mal zu­rück und ihn mit­neh­men. Nicht ra­tio­nal er­klär­bar. Vor al­lem weil ich mir das Ding auf mei­nem Kopf ja auch nicht dau­er­haft vor­stel­len konn­te.

Dann al­ler­dings, mit rosa/nicht mehr ganz so ro­sa Stet­son hat dann die­ser Denk­pro­zess ein­ge­setzt. Man macht sich schon Ge­dan­ken. Ist ja ein gro­ßer Schritt. So in et­wa wie: Ab heu­te bin ich Rau­cher, oder Fer­ra­ri-Fah­rer, oder ich tra­ge ab so­fort nur noch Gum­mi­stie­fel und Spie­gel­son­nen­bril­le. Al­les Merk­ma­le, die ja auch ge­wis­se Er­war­tungs­hal­tun­gen we­cken. Gra­de wenn man so ein Ding auf der Büh­ne trägt. Wo­bei das na­tür­lich auch nicht geht mit nur auf der Büh­ne. Man muss da ir­gend­wie men­tal rein­wach­sen. Sonst ist es eben nur ein Ac­ces­soire. Es ist al­so nicht ganz ein­fach und ein grö­ße­rer Schritt als man das viel­leicht ver­mu­ten wür­de. Ich fühl mich mitt­ler­wei­le ganz OK da­mit, ich merk aber auch das es schon noch ein lan­ger Weg bis zur völ­li­gen Selbst­ver­ständ­lich­keit ist.

Der Un­ter­schied zwi­schen den bei­den Kopf­be­de­ckun­gen ist na­tür­lich schon­mal, dass der Stet­son – ins­be­son­de­re die­ser, es gibt ja ver­schie­dens­te Mo­del­le – viel­leicht bes­se­re cw-Wer­te hat. Und dann ist da eben noch das mit der Er­war­tungs­hal­tung. Die nicht er­füll­te fin­de ich per­sön­lich die at­trak­tivs­te und da passt der Stet­son schon ziem­lich gut. Ein 4‑­Tuulen-Lak­ki auf ei­nem Fin­nen wä­re schon et­was zu ein­fach.

Heimat

Du warst in den letz­ten Jah­ren viel un­ter­wegs – die Krei­se wer­den im­mer wei­ter (wie wenn je­mand ei­nen Stein in glat­tes Was­ser wirft). Ist es das, wo­von Dein Al­bum »Home­land« han­delt und ist die Mit­te der Pfüt­ze noch Fürth?

Die Pfüt­ze hat – wenn man das so se­hen will, als Pfüt­ze mein’ ich – schon ziem­li­che Aus­ma­ße an­ge­nom­men. Und nein, die Mit­te ist, glaub’ ich, eher da, wo ich mich grad auf­hal­te. Viel­leicht auch, weil sich ge­ra­de über die letz­ten Jah­re schon ziem­lich deut­lich ge­zeigt hat, dass es Ecken der Welt – oder der Pfüt­ze – gibt, in de­nen die In­ten­si­tät ei­ner Show mehr Ge­wicht hat als ih­re Gen­re-Zu­ge­hö­rig­keit. Bei letz­te­rer sit­ze ich zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen schon deut­lich zwi­schen den Stüh­len, was aber ins­be­son­de­re in Ost­eu­ro­pa, Frank­reich und Ka­na­da un­er­heb­lich war. Viel­leicht so­gar hilf­reich. Das be­ein­flusst dann na­tür­lich schon auch sehr die Per­for­mance.

Ver­mut­lich kommt noch da­zu, dass ich ein­fach neu­gie­rig und wahn­sin­nig ger­ne un­ter­wegs bin. Aus künst­le­ri­scher Sicht fin­de ich es dann auch noch ei­ne er­heb­lich grö­ße­re Her­aus­for­de­rung, vor Leu­ten auf­zu­tre­ten, die mich nicht ken­nen. Als So­lo-Act ist das ein­fach irr­sin­nig span­nend. Man hat nur ei­nen Ver­such, die Leu­te zu krie­gen, wenn man es ver­bockt, hat man es ganz al­lein sich sel­ber zu­zu­schrei­ben; we­ni­ger als al­les rein­zu­le­gen ist da kei­ne Op­ti­on. Das war ge­ra­de im letz­ten Jahr über die letz­ten drei bis vier Wo­chen schon ein biss­chen be­ängs­ti­gend, fest­zu­stel­len, dass es mög­li­cher­wei­se viel­leicht auch ein biss­chen ris­kant ist, den En­er­gie­le­vel über so lan­ge Zeit auf die­sem Ni­veau zu hal­ten. Al­so ris­kant im Sin­ne von un­ge­sund, phy­sisch und psy­chisch.

»Home­land« als Ti­tel und The­ma des Al­bums ist vor al­lem der Tat­sa­che ge­schul­det, dass ab ei­nem ge­wis­sen Punkt das »wo« nicht mehr so wich­tig ist. Viel­leicht auch, weil es mir als in Pa­pua-Neu­gui­nea Ge­bo­re­ner, per Pass Deut­scher und Fin­ne, eh schwer fällt, ir­gend­ei­ne Art von geo­gra­fi­schem Hei­mat­ge­fühl zu ent­wi­ckeln. Das ist mir vor al­lem in den letz­ten drei bis vier Jah­ren im­mer kla­rer ge­wor­den.

Stone The Crows!

As a for­mer An­g­lo Ger­man Low Star [2], you didn‘t men­ti­on Eng­land... What can you reve­al about your plans, tou­ring the UK in spring, will you meet so­me pre­vious com­pa­n­ions and what are you go­ing to tell tho­se Brits about de­par­tu­re?

Sin­ce the end of the An­g­lo Ger­man Low Stars or ra­ther sin­ce the be­gin­ning of their big sleep, I’­ve be­en at least tou­ring oc­ca­sio­nal­ly wi­th Grae J Wall. Every now and again I run in­to so­me of the guys, but it’s a while now sin­ce I’­ve be­en over last time. Al­ways loved play­ing in the UK but rea­li­sti­cal­ly it’s not re­al­ly an ea­sy place to earn mo­ney as a mu­si­ci­an.

Af­ter con­tri­bu­ting a re­mar­kab­le por­ti­on of my 2015 tour ear­nings to Bri­tish eco­no­my on my last tour, I had to gi­ve it a break. It’s not go­ing to be a lot dif­fe­rent this time I sup­po­se, but – let’s be ho­nest he­re – it might be the last time I get the chan­ce to play shows the­re wi­t­hout work vi­sa or rub­bish li­ke that. Fin­gers crossed it’s not. Eit­her way I wan­ted to do it again as long as it’s ea­sy and I’m loo­king for­ward to it a lot.

De­par­tu­re, eh? Sup­po­se it’s not the time for be­ing cheeky and poin­ting the fin­ger at count­ries ha­ving to deal wi­th peo­p­le sport­ing a mista­ken idea of pa­trio­tism or na­tio­na­lism. Espe­ci­al­ly li­ving in a coun­try mys­elf wi­th a sur­pri­sing lot of places you bet­ter stay at home if you’­re co­lou­red, que­er or sim­ply dif­fe­rent and don’t want to get bea­ten up or kil­led. It just starts get­ting par­ti­cu­lar­ly fun­ny wi­th the UK.

Li­ke most peo­p­le wi­th a bit of com­mon sen­se – which I be­lie­ve is still the ma­jo­ri­ty of Bri­tish ci­ti­zens – I’m quite hap­py li­ving on a con­ti­nent wi­t­hout or just a few bor­ders. Why on earth would so­meone li­ke to ch­an­ge that? It’s just tra­gic, no mat­ter whe­re, ha­ving to find out you’­ve be­en fu­cked over big time by so­me guys you vo­ted for and end up pay­ing their bills. So I sup­po­se I’m not go­ing to tell my hosts too much about pros and cons of de­par­tu­re. Ha­ving me over to per­form is ha­ras­sing en­ough.

Blick über den Kellerrand

Das war ein wei­ter Weg, von den Gyrlz [3] bis zu Herrn Mäk­kelä [4] 2019. Was ist von da­mals ge­blie­ben, wie wür­dest die mu­si­ka­li­sche Ent­wick­lung be­schrei­ben und wo­hin wird es Dich und Dei­ne Zu­hö­rer von hier noch füh­ren?

Be­rech­tig­te Fra­ge, was ist von da­mals ge­blie­ben? Letzt­end­lich zwei­ein­halb ver­öf­fent­lich­te Al­ben und ein paar ziem­lich or­dent­li­che Songs, die et­was mehr Öf­fent­lich­keit ver­dient hät­ten. Das ist biss­chen scha­de, ist aber halt nun mal so. Sonst ver­mut­lich das, was bei an­de­ren Leu­ten so an Er­in­ne­rung an die ei­ge­ne Lehr­zeit bleibt. Könn­te ich mir vor­stel­len. Wo­bei ei­ne Leh­re ja im­mer­hin ein biss­chen be­zahlt wird. Im Rock’n’Roll be­zahlt in der Re­gel der Aus­zu­bil­den­de und oft mit mehr als nur Geld. Hat fast schon was Dar­wi­nis­ti­sches. Der Le­bens­ab­schnitt, in dem man mit höchs­tem En­ga­ge­ment je­den Mist baut, der zu Bau­en zur Ver­fü­gung steht und so viel wie mög­lich an per­sön­li­chen, lo­gis­ti­schen und mu­si­ka­li­schen De­sas­tern mit volls­ter Über­zeu­gung durch­ge­zo­gen hat.

Al­so nicht al­les nur mies, wa­ren schon auch tol­le Mo­men­te bei. Muss ja al­les auch ir­gend­wann mal ge­macht wer­den. Un­term Strich si­cher­lich ein Sack voll Er­kennt­nis: Ei­ne da­von ist, dass Punk­rock nichts mit der Wahl des In­stru­ments oder der Laut­stär­ke zu tun hat. Ei­ne wei­te­re, dass dau­er­haft in ei­ner Band zu spie­len mit dem Ziel, da­von zu über­le­ben, mehr ver­langt, als man sich so im All­ge­mei­nen vor­stel­len wür­de und ganz si­cher auch, dass nicht je­der für’s Tou­ren ge­schaf­fen ist. Fin­den vie­le dann oft erst wäh­rend des Vor­gangs raus, was öf­ter mal Kol­la­te­ral­schä­den nach sich zieht. Al­lein dar­über lies­se sich ver­mut­lich ein Buch schrei­ben.

Das Wo­hin? Kei­ne Ah­nung. Mu­si­ka­lisch wür­de ich mich da mal nicht fest­le­gen wol­len. Grund­sätz­lich fin­de ich es ja span­nend, Songs in eher Ro­ck/­Pop/­Folk-un­üb­li­chen Klang­kör­pern um­zu­set­zen. So­lan­ge ich noch glau­be, was zu sa­gen zu ha­ben und neu­gie­rig auf al­les Mög­li­che bin und kei­ne Angst vor Ver­än­de­rung ha­be, ist da schon noch Luft nach oben. Soll­te das auf­hö­ren oder ver­schwin­den, wür­de ich mal sa­gen: las­sen wir’s gut sein. Al­ler­dings lie­ße sich im­mer noch die Dis­zi­plin än­dern. Ge­schich­ten las­sen sich ja nicht nur über das Me­di­um Song er­zäh­len...

 

[1] »4‑­Tuulen-Lak­ki« = »4‑­Win­de-Hut« = tra­di­tio­nel­le Kopf­be­de­ckung der Sa­men

[2] »The An­g­lo Ger­man Low Stars« wa­ren ein lo­ser Ver­bund von mehr oder we­ni­ger gleich ge­sinn­ten Mu­si­kern (Deut­sche und Bri­ten) an­läß­lich meh­re­rer Eu­ro­pa­tou­ren und der Al­bum­ver­öf­fent­li­chung »The Night Of The Ama­zon«, ei­nes fik­ti­ven Films­ound­tracks (ca. 2004).

[3] »Thee Girls Got Rhythm«, bzw. »Mi­ra­cle G(y)rlz« wa­ren Mart­tis Band­pro­jek­te in den spä­ten 1980er bzw. in den 1990er Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­tau­sends.

[4] »Mäk­kelä« ist ein Pseud­onym, dass Mart­ti et­wa seit den 00er Jah­ren nutzt – u.a. als »Mäkkelä’s Trash Lounge« oder »Mäk­kelä & Or­kes­te­ri«.

 

Home­land by Mäk­kelä

 

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